Erste Etappe – Wir sind dann mal weg

„Wir sind dann mal weg“. So steht es in einer WhatsApp Nachricht die wir am 15. Juli um kurz vor 11 Uhr versenden. Wenig später rollt der Caddy durchs Mühlenbecker Land in Richtung Berliner Ring. Wo die Reise hin gehen wird, wissen wir in diesem Moment noch nicht. Es geht erstmal darum, los zu kommen. Es sind 36 Grad fürs Berliner Umland für den heutigen Tag angesagt und der zu erwartende Ansturm an Hauptstädtern, die unsere kleinen aber feinen Brandenburger Seen in Beschlag nehmen wollen, ist im vollen Gange. Wir müssen also dringend weg hier! Und der Weg ist erstmal das Ziel. Das Caddy-Thermometer meldet bereits 31 Grad, als wir nach 30 Minuten Fahrzeit in unseren ersten Stau auf dem westlichen Berliner Ring geraten. Es geht schleppend voran, es wird einspurig. Irgendwann erreichen wir das Dreieck Werder und kurz darauf finden wir uns auf der A9 Richtung Süden wieder. Die ersten Hürden haben wir genommen, der Caddy rollt flüssig auf dem glühenden Asphalt, wir lassen Berlin in unserem Rückspiegel immer kleiner werden und Aki Bosse liefert aus den Caddy-Boxen mit „Der Sommer“ den passenden Soundtrack zum Auftakt unseres Road-Trips. Der Song landet daher als 1. Titel auf unserer diesjährige Urlaubs-Playliste.
Die Idee für diesen Road-Trip kam irgendwann in kalten Wintermonaten auf. Wir hatten die Aussicht, im Sommer einen VW-Caddy zur Verfügung zu haben. Über intensive Internet-Recherche haben wir uns informiert, wie man so einen Caddy zum familiären Motor-Home umfunktionieren könnte. Wir fanden über Kleinanzeigen schließlich Daniel aus Sachsen, der sich darauf spezialisiert hat, solche Caddys, wie unseren, camping-fit zu machen. Er fertigte uns eine mega geile Caddy-Box an, die nicht nur Bett sondern auch Küchenzeile und Stauraum für unseren Caddy lieferte. Und so stand der Caddy-Tour 2023 eigentlich nix mehr im Wege.
Da wir zu viert unterwegs sind, haben wir kurzer Hand noch ein Zelt mit im Gepäck. Wo es hin gehen soll? So richtig wissen wir das auch noch nicht. Die grobe Ursprungs-Idee ist: Nach Portugal. Zugegebenermaßen ein kühner Plan. Denn bis Portugal sind es tausende Kilometer. Aber in Portugal ist Karo. Und die würden wir gerne besuchen. Ob wir es wirklich bis dorthin schaffen, wissen wir noch nicht. Aber es ist immerhin ein Richtziel, dass die ungefähre Himmelsrichtung der Reise vorgibt. Immer südwestlich. Und jetzt ist erstmal vor allem das Unterwegs-Sein, das Raus-Kommen das Ziel. Raus aus dem Alltag, raus von Zuhause und irgendwie auch raus aus der Komfortzone.
Der Caddy macht Meter um Meter durch die Sommerhitze, die Klimaanlage arbeitet am Anschlag. Wir verlassen Brandenburg und kämpfen uns durch Sachsen-Anhalt. Vorbei an Dessau, wir passieren Halle und Leipzig. In Thüringen zeigt das Thermometer kurzzeitig 38 Grad an. Mit leichter Sorge passieren wir zahlreiche, durch Pannen liegengebliebene Fahrzeuge und sind jedes Mal froh, dass wir nicht diejenigen sind, die bei der Gluthitze da draußen gerade auf den Abschleppdienst warten müssen. Nach 3,5 Stunden Fahrt erreichen wir die ehemalige innerdeutsche Grenze und rollen im Freistaat Bayern ein. Da unsere Lust am Autofahren fürs erste gestillt ist und sich leichter Hunger eingestellt hat, beginnen wir mit der Suche nach einem Tagesziel. Wir machen über das Smartephone den kleinen Campingplatz-Jurahöhe, nahe Pottenstein, in der fränkischen Schweiz ausfindig und sehen diesen als geeignetes Tagesziel an. Gekonnt steuern wir den Caddy von der Autobahn und rollen kurz darauf durch die wunderschönen Hügel der Fränkischen Schweiz. Als wir den Campingplatz-Jurahöhe hinter einer völlig unscheinbaren Hofeinfahrt entdecken, haben wir beim Aussteigen aus dem Caddy das Gefühl, dass wir in einen Backofen laufen. 37 Grad, pralle Sonne – uns läuft der Schweiß nur vom rum stehen. Nach wenigen Minuten haben wir uns an der Rezeption einen Platz auf der Zeltwiese gesichert und rollen mit dem Caddy im Schritttempo über den Campingplatz. Wir werden mit neugierigen Blicken der Dauer-Camper empfangen, die uns eindeutig eine wichtige Sache voraus haben: Sie haben kühles Bier und schattige Vorzelt-Plätze. Die Zeltwiese der Jurahöhe bietet leider keinerlei Schatten in der prallen Nachmittagssonne. Dementsprechend zerfließen wir beim Entladen des Caddys und beim Zelt-Aufbau. Notdürftig errichten wir uns einen winzigen Schattenplatz, mit Hilfe eines Sonnensegels, welches wir völlig unbeholfen zwischen Caddy und Zelt anbringen. Zum Glück hat der kleine Kiosk am Campingplatz kühles Bier im Angebot, so dass wir uns kurzzeitig auf unserem Mini-Schattenplatz etwas erfrischen können. Auch wenn wir von anderen Campingplatz-Besuchern mit mitleidigen Blicken bedacht werden, wie wir da so im Schatten unter dem Sonnensegel kauern, tut uns die Erfrischung erstmal gut.


Und wir tragen auch weiterhin zur prächtigen Unterhaltung der erfahrenen, aber neugierigen Mit-Camper auf der Jurahöhe bei. Sei es beim tapsigen Versuch die Gaskartusche unseres Camping-Kochers anzuschließen oder beim ungeschickten Aufbau des Campingtisches. Campingurlaub will gelernt sein und wir waren lange Jahre raus aus diesem Game. Dennoch gelingt es uns nach und nach, unser Lager für die Nacht zu errichten. Um 18 Uhr öffnet das kleine Restaurant auf dem Campingplatz und wir sichern uns den letzten schattigen Tisch. Immer noch 35 Grad im Schatten. Die stämmige Wirtin bringt kühles, frisch gezapftes fränkisches Bier und eine große Portion fränkischen Wurstsalat heran. Wir sind glücklich und die Anspannung des Aufbaus in der Hitze fällt allmählich von uns ab. Kurz darauf steht ein „Juraburger“, ein „Bayrisches Cordon Bleu“, ein Fränkischer Salat und ein Schnitzel mit Pommes auf dem Tisch. Unser Urlaubsgefühl nimmt langsam Fahrt auf!


Nach diesem reichhaltigen und wirklich leckeren Essen schlendern wir durch die Abend-Hitze in Richtung unserer Zeltwiese. Am Horizont sind schwarze Wolken aufgezogen. Wir lernen unsere Zeltnachbarn kennen. Tommi, ein witziger Typ mit einem Gesicht wie John McEnroe und einer Lockenpracht wie Paul Breitner zu besten Zeiten, und seine Familie aus Berlin-Weißensee. Das gemeinsame Berliner Kennzeichen schafft gleich eine vertraute Gesprächsgrundlage. Wir tauschen uns fachkundig über Brandenburger Seen im Berliner Umland aus und über die Wetterprognose für die Nacht. Wir sind uns einig, dass da in der nächsten Stunde was kommen wird. Tommi empfiehlt uns, die Zeltschnüre noch mal nachzuziehen. 10 Minuten später bricht das Unwetter über uns herein. Starkregen, Windböen und ohrenbetäubende Donnerschläge. Wir flüchten uns zu viert in den Caddy und hoffen, dass unser Zelt hält. Obwohl es erst 20 Uhr ist, ist es draußen stockdunkel geworden. Nur die Blitze, die in kurzer Abfolge über den Campingplatz pfeffern, sorgen für Sekunden der Helligkeit. Nach einer knappen Stunde ist das Naturschauspiel vorbei. Das Gewitter ist abgezogen und am Horizont taucht die Sonne aus den Wolken und macht sich auf den Weg, hinter den Gipfeln der Fränkischen Schweiz zu versinken. Wir sind froh, dass das Zelt gehalten hat und trocknen unsere Stühle und den Tisch ab.



Die Luft ist toll nach dem Gewitter, die Hitze ist einer angenehmen Frische gewichen. Tommi aus Berlin Weißensee kommt aufgekratzt vorbei und erkundigt sich, ob wir das Unwetter gut überstanden haben. Er hat den Schalk im Nacken und uns offenbar gut beobachtet. Er amüsiert sich ausgiebig über unsere unbeholfenen Versuche, Fotos im strömenden Regen von dem Gewitter über dem Caddy-Dach zu schießen. „Dit war ne colle Show, die ihr da vorjeführt habt!“ Wir quatschen mit ihm über alles Mögliche und über die weitere Reiseplanung. Er erklärt uns für verrückt, als wir ihm erzählen, dass wir bis nach Portugal wollen. Tommi will mit seiner Familie am nächsten Tag weiter nach Oberstdorf im Allgäu und dort zwei Wochen verbringen. „Dit jeht ooch, so kann man ooch Urlaub machen. Da muss man nicht nach Portugal…“ versichert er uns. Aber nur um irgendwie anerkennend anzumerken: „Früher war ick och so bekloppt wie ihr“. Er erkundigt sich jetzt zunehmend interessiert nach unseren Plänen. Wir erklären ihm, dass wir über Frankreich Stück für Stück über die spanische Küste nach Südwesten fahren wollen. „Passt auf Lyon auf!“ ruft Tommi aufgeregt. „Der gefürchtete Kessel von Lyon!!!“ Er schlägt seine flache Hand auf die Stirn. „Am besten fahrt ihr da in der Nacht lang, tagsüber ist da immer Stau!“ Wir werden uns an Tommis Worte noch erinnern…
Wir machen uns nun allmählich für die Nacht fertig, besuchen das Sanitärgebäude und wollen dann langsam ins Bett. Tommi kommt noch mal vorbei, um sich zu entschuldigen, dass sie wahrscheinlich schon um 5 Uhr aufbrechen werden und dadurch etwas Lärm machen werden. Wir versichern ihm, dass das gar kein Problem für uns ist und wünschen gute Reise. Kurz nachdem wir im Caddy und im Zelt eingeschlummert sind, bricht das nächste Gewitter los. Blitze zucken über die Fränkische Schweiz, gefolgt von knallendem Donner. Und Dauerregen die ganze Nacht. Wir hören, wie Tommi und seine Familie um 5 Uhr bei strömenden Regen ihr Lager abbrechen und los fahren. Coole Zeltnachbarn, gute Reise und auch sonst alles Gute! Gegen 6 Uhr lässt der Regen nach und als unser Wecker um 8:30 Uhr klingelt, fallen erste Sonnenstrahlen durch die grauen Wolken. Auch wenn draußen alles nass ist, lassen wir uns nicht von den Frühstücksvorbereitungen abbringen. Die Kinder gehen Brötchen am Camping-Platz-Kiosk kaufen und wir setzen die Bialetti in Gang. Kurz darauf sprudelt heißer Kaffee in die vorbereiteten Becher. Die fränkischen Brötchen sind lecker. Und das Zelt hat dem nächtlichen Unwetter getrotzt. Wir fühlen uns mehr denn je gewappnet, für unser Caddy-Camping-Abenteuer!
Die morgendlichen Sonnenstrahlen reichen noch nicht, um das Zelt wirklich zu trocknen, daher packen wir alles ziemlich klamm zusammen nach dem Frühstück. Erstaunlich gut haben wir nach ca. 40 Minuten wieder alles im Caddy verstaut und rollen vom Campingplatz Jurahöhe, unseren nächsten Zielen entgegen…




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