Gegen 19:00 Uhr treffen wir wieder in Arrifana ein. Wir haben Glück, dass wir für den Caddy noch einen Parkplatz finden. Im Sea You ist schon einiges los. Alle Tische sind belegt, das mit der Reservierung hat irgendwie nicht geklappt. Aber Renato bleibt entspannt und organisiert uns nach und nach Plätze. Irgendwann sitzen wir dann doch alle zusammen an einem großen Tisch. Und es sind wirklich alle da. Tobi und Renato sind da. Sie haben Mario mitgebracht, ein Cousin von Renato. Außerdem ist Matilda, die Schwester von Renato mit ihrem Mann dabei. Und noch einige Leute, die wir zum ersten Mal sehen. Karo stößt etwas später dazu, da sie noch auf der Pferde-Ranch ist. Die Kellner im Sea You sind sehr herzlich und sehen alle irgendwie vom Style her aus wie Sandro Wagner – nur in einer sympathischen Version. Sie schleppen jedenfalls kaltes Super Bock und riesige Krüge mit weißer Sangria an. Wenig später werden Teller mit Pilz-Risotto, Spagetti Carbonara, veganen Burgern, Süßkartoffel-Pommes, gegrilltem Fisch und gemischten Salaten aufgefahren. Das Sea You hat sich inzwischen extrem gefüllt. Sitzplätze sind gar keine mehr zu haben und auch auf der großen Terrasse stehen die Leute inzwischen dicht gedrängt. Es hat sich ein ausgelassenes Stimmengewirr in vielen verschiedenen Sprachen entwickelt, während die Sonne langsam hinter den weißen Häusern im Atlantik versinkt. Wir lernen ständig neue Leute kennen. Viele, die aus Deutschland hier her nach Portugal ausgewandert sind, erzählen uns ihre Geschichte. Einige haben ihr Glück gefunden, andere haben bemerkt, dass sie die Probleme, vor denen sie in Deutschland eigentlich fliehen wollten, irgendwie doch mit in die neue Heimat genommen haben. Wir fragen Renatos Familie, ob es die Einheimischen nicht stört, dass so viele Deutsche hier an der Algarve leben. Aber sie versichern uns, dass hier keiner ein Problem mit den Deutschen hat. Wir kommen mit Mario ins Gespräch. Er lebt mit seinen beiden Jungs in Porto, direkt neben dem Estádio do Dragão und ist glühender FC Porto-Anhänger. Somit haben wir mit dem Thema Fußball natürlich schnell eine gute Gesprächsgrundlage. Mario sieht aus wie der junge Antonio Banderas im Film „Desperado“, nur viel besser. Mario erzählt uns von Porto und welche Probleme die Stadt mit den Touristenmassen hat. Mario versichert uns glaubhaft, dass er kein Problem damit hat, dass Touristen in seine Heimatstadt kommen. Er berichtet uns aber, dass viele diese wunderschöne Stadt inzwischen als so eine Art Instagramm-Disneyland ansehen und sich entsprechend benehmen. Man hört ja vergleichbares von Einwohnern aus anderen Städten, wie Lissabon oder Barcelona.
Irgendwann betritt Orlando, ein unscheinbarer Mann mit Gitarre, die kleine Bühne auf der Terrasse. Er spielt seine Gitarre an und füllt mit dem Sound sofort das ganze Sea You aus. Er steigt mit dem Klassiker „Chan Chan“ vom Buena Vista Social Club ein und lässt nun Hit auf Hit folgen. Die Terrasse des Sea You nickt wohlwollend mit dem Kopf. Lieder, von denen wir dachten, dass wir uns längst satt an ihnen gehört hatten, entfalten hier in diesem Ambiente wieder einen ganz neuen Zauber. Egal ob „Clandestino“ von Manu Chao, „Wonderwall“ von Oasis oder „Losing My Religion“ von REM… Orlando berührt uns mit diesen Songs. Der Mond strahlt inzwischen über den Klippen von Arrifana und die Sangria schmeckt immer erfrischender. Es wabert ein sanfter Geruch von gerauchtem Gras über das Sea You. Und während Orlando gerade solche Zeilen wie „Coo, coo, choo, Mrs. Robinson…“ oder „Where have you gone, Joe DiMaggio?“ aus dem alten Simon & Garfunkel Klassiker zum Besten gibt, versuchen wir in aussichtsloser Lage neue Getränke nach zu bestellen. Die Sandro-Wagner-Kellner geben zwar ihr Bestes und bleiben erstaunlich gelassen, wenn sie sich mit voll beladenen Tabletts durch die dicht stehende Menschenmenge kämpfen müssen, aber sie werden der Masse an Bestellungen einfach nicht mehr Herr. Matilda bemerkt unsere Notlage und fragt nur kurz: „What do you wanna drink?“ Nur wenige Augenblicke später kommt sie mit allen Getränken zurück, die wir uns gewünscht haben. Als wir sie fragen wie sie das gemacht hat, grinst sie nur vielsagend. Und als wir fragen, was sie bezahlt hat, antwortet sie lachend: „I didn’t pay for it“. Wie auch immer sie das gemacht hat, sie wird in Getränkefragen noch mehrfach unsere Rettung an diesem Abend sein.
Kind 1 lässt diesen Abend erstaunlich gut gelaunt über sich ergehen, obwohl es solche Abendveranstaltungen zu später Stunde eigentlich überhaupt nicht mag. Und Kind 2 quengelt zunehmend, dass es endlich tanzen will. Denn obwohl Orlando wirklich einen raumgreifenden Sound entwickelt, kommt das Publikum bislang nicht über ein gediegenes Kopfnicken oder ein dezentes Hüftschwingen am Platz hinaus. Renato kriegt das mit und schnappt sich kurzerhand Kind 2. Und als Orlando gerade „Is this love“ von Bob Marley anschlägt drängeln sich die beiden bis vor die kleine Bühne und beginnen zu tanzen. Kind 2 ist stolz wie Bolle, dass der Surflehrer mit ihm tanzt. Und auf das Sea You wirkt das ganze wie ein Eisbrecher. Denn ehe das Bob Marley Lied vorbei ist, hat sich die ganze Tanzfläche in Bewegung gesetzt. Von jetzt an wird solide geschwoft auf der Klippe von Arrifana und unter dem fast vollen Mond über der Algarve. Wir genießen die Stunden, bewundern Matilda für ihr ansteckendes Lachen und dafür, wie sie die Lage jederzeit im Griff hat und dabei auch noch lustige Geschichten erzählt. Wir lernen Christian und Paula aus Ulm kennen, die ebenfalls mit dem Zelt bis Portugal gefahren sind und uns noch einige gute Restaurants in Arrifana empfehlen. Und irgendwann geht auch dieser Abend zu ende. Es sind Erlebnisse wie dieses, von denen wir noch in Monaten zehren werden, wenn wir uns daran zurückerinnern. Obrigado Sea You Surfcafé!











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