Wir werden von sanftem Meeresrauschen geweckt. Heute ist der letzte Tag in Monte Clérigo und den wollen wir in vollen Zügen auskosten. Ein mobiler Bäcker macht auf dem Parkplatz mit einer lauten Glocke auf sich aufmerksam. Wir stellen uns in der langen Schlange an und treffen Bilal, der mit einem Lieferwagen auf eine Fisch-Lieferung wartet. Wir erwerben am Bäcker-Wagen Pastéis de Nata und frische Brioche Croissants. Kurz darauf haben wir uns damit ein kleines, aber ganz hervorragendes Frühstück auf unserer Dachterrasse mit dem Blick auf das Meer und über den Strand zubereitet. Irgendwann kommen Karo und Brownie vorbei und schauen nach dem Rechten. Sie begleiten uns noch zum Strand. Karo erzählt uns, dass Mario am Abend eine kleine Strandwanderung an den Klippen plant und er sich freuen würde, wenn wir mitkommen. Wir sagen gerne zu und genießen bis dahin unseren letzten Strandtag in Portugal. Renato hat Bürotag in der Basis vom Algarve Adventure Surf Camp und kommt mittags kurz vorbei. Er empfiehlt uns, dass wir abends heute noch mal an den Strand gehen sollen. Denn es ist Vollmond und da entwickelt der Strand noch einmal einen ganz besonderen Zauber, sagt Renato. Wir fragen Karo und Renato, ob sich ihr Leben hier eigentlich auch manchmal wie Alltag anfühlt oder ob sie jeden Tag denken, dass sie im Urlaub sind. Die beiden versichern uns, dass auch sie lästige Alltagsgefühle haben. Und im Winter soll es wohl auch mitunter kalt und ungemütlich sein. Wir können uns das nach den letzten zwei Wochen kaum vorstellen, aber wir haben vielleicht auch die beste Zeit des Jahres erwischt, um hier zu sein. Irgendwann muss Karo los, da sie noch Arbeiten muss. So viel zum Thema Alltag.
Wir dagegen genießen unseren Nachmittag am Strand. Wir kaufen ein letztes Mal bei einem der vielen Händler, die mit den Kühlboxen unterwegs sind, die leckeren „Bolas de Berlim“. Also diese Dinger, die in Deutschaland wahlweise als Berliner, Pfannkuchen, Krebbel oder Krapfen bezeichnet werden. Und die haben es offenbar vor vielen Jahren als ein Kulturtransfer tatsächlich aus Deutschland an die Strände in Portugal geschafft. Weil es der letzte Tag ist, kaufen wir natürlich die bei den Kindern am beliebteste Sorte, also die, mit der Kinder-Riegel-Füllung. Als die Sonne zu sinken beginnt tauschen wir noch die Telefonnummer mit Carla aus, die mit den Kindern Surfkurs gemacht hat und aus Berlin-Kreuzberg kommt, wie sich inzwischen rausgestellt hat. Dann packen wir unsere Strandsachen zusammen und machen uns auf den Weg zu unserem Strandhaus. Gegen 19:30 Uhr klopft Mario mit seinen beiden Söhnen an die Tür und fragt, ob wir mitkommen wollen. Und natürlich wollen wir das. Er erzählt uns, dass er eine längere Wanderung unterhalb der Klippen plant, wir aber jederzeit umkehren können, wenn es uns zu lange dauert. Kurz darauf klettern wir über die ersten Felsen und halten uns immer links, wenn man aufs Meer blickt. Inzwischen hat die Ebbe eingesetzt. Ansonsten könnten wir hier gar nicht lang laufen, denn zur Mittagszeit ist hier alles vom Ozean überspült. Aber nun geben die Gezeiten den Blick auf beeindruckende Felsen und Felder aus Stein frei. Mario macht uns darauf aufmerksam, wie viel Leben in den kleinen Felsenbecken tobt, in denen die Ebbe etwas Meerwasser zurückgelassen hat. Zielsicher spürt er mit seinen Jungs kleine Krebse auf, die er unseren Kindern in die Hand setzt. Ausführlich erzählt uns Mario viele spannende Geschichten zu diesem Küstenabschnitt. So macht er uns auf einen ungewöhnlich aus dem Wasser ragenden Stein aufmerksam. Dieser Stein ist in Wirklichkeit ein Anker eines großen Schiffs, dass hier vor vielen Jahren zerschellt ist. In der Zwischenzeit hat sich die Sonne gesenkt und steht unmittelbar davor, in den Atlantik einzutauchen. Dadurch ist die ganze Umgebung in ein unglaubliches goldenes Licht getaucht. Mario weist uns auf eine Ruine oben auf den Klippen hin und erzählt uns, dass es sich dabei um einen mystischen, religiösen Ort der Moslems aus der Maurenzeit handelt. Es sind diese vielen Geschichten, Entdeckungen und Kleinigkeiten, die uns ohne Mario unbekannt geblieben wären. Und Mario müsste mit uns hier ja nicht unterwegs sein. Dass er es trotzdem tut, seine unverstellte, ehrlich gemeinte Gastfreundschaft und sein Interesse an uns, berühren uns und machen uns sehr dankbar. So streifen wir mit Mario und seinen beiden Jungs noch einige Zeit durch die Klippen. Seine Söhne machen sich nun daran, kleine Oktopusse in den Felsen zu fangen. Als die Sonne irgendwann im Meer versunken ist, verabschieden wir uns von Mario und den Jungs. Sie wollen hier noch weiter durch die Vollmond-Nacht unterwegs sein. Wir kehren um und erreichen irgendwann wieder unser kleines Strandhaus.
Es ist inzwischen 21:30 Uhr und unser Kühlschrank gibt kaum noch was her. Plötzlich fragen die Kinder, ob wir nicht noch mal zu Bilal fahren können. Da der kurze Check über das Smartphone ergibt, dass Bilal noch lange nicht schließt, machen wir uns kurzerhand noch mal auf den Weg. Als wir ankommen, begrüßt uns Bilal mit einem lachenden „Da seid ihr ja wieder!“. Die Terrasse ist genau so gut gefüllt wie gestern aber Bilal findet noch einen Tisch für uns. Die große Musik-Box ist heute noch lauter aufgedreht und über einen großen Flatscreen läuft dazu passend ein DJ-Set von Jan Blomqvist am „Pink Lake“ in der Ukraine aus dem Jahr 2021. Bila berichtet, dass ihn dieses Video traurig macht, da er dort selbst schon getanzt hat und sich der Pink Lake inzwischen mitten im Kriegsgebiet befindet. Das erinnert uns daran, dass die Welt da draußen derzeit wirklich grausam sein kann und dass es ein absolutes Privileg für uns ist, dass wir in diesen wirren Zeiten so schöne und unbeschwerte Wochen verleben dürfen. Bilal sagt, dass man sich von diesen Zeiten nicht unter kriegen lassen darf und trotzdem zuversichtlich bleiben soll. Er stellt uns Juri vor, der für Bilal als Service-Kraft arbeitet und aus Russland kommt. „Wir sind alles Menschen, das dürfen wir nie vergessen“ sagt Bilal. Recht hat er.
Wenig später bringt uns Juri frischen Minztee, Falafel und Kebab-Sandwiches. Wir sind erstaunt, dass unseren Kindern die wirklich scharfe Piri-Piri-Sauce so gut schmeckt, die uns Bilal auf den Tisch gestellt hat. Wir bleiben noch lange sitzen, Bilal bringt uns irgendwann einen Hausschnaps, der höllisch in der Kehle brennt und wir lassen uns von den sanften Beats vom Pink Lake einlullen. Irgendwann brechen wir auf und verabreden uns mit Bilal fürs nächste Jahr, falls er dann noch da ist. Als wir in Monte Clérigo angekommen sind, müssen wir feststellen, dass dichter Nebel in die Bucht gezogen ist. Somit wird nichts aus der Vollmond-Nacht am Strand, da vom Vollmond wirklich überhaupt nichts zu sehen ist. Wir nutzen die mystische Atmosphäre für einen letzten Absacker auf der Dachterrasse und wenig später entschlummern wir in unserer letzten Nacht mit Meeresrauschen.
Am nächsten Morgen gibt es wieder ein leckeres Frühstück mit frischen Dingen vom Bäckerwagen. Aber wir haben alle einen Kloß im Hals. Wehmut macht sich breit. Karo und Brownie sind schon da und sitzen mit uns bei strahlendem Sonnenschein auf der herrlichen Dachterrasse. Wir essen leckere Pastéis de Nata und trinken guten Kaffee. Wir lassen den Blick über die herrliche Bucht und den strahlenden Ozean schweifen. Trotzdem kann das die Stimmung nicht so richtig aufhellen, denn wir sind traurig, da wir heute weiterfahren und diesen wunderschönen Ort verlassen müssen. Unten füllt sich langsam der Strand. Die Lifeguards nehmen ihre Position ein und hissen die Fahne. Aber wir wissen, dass wir nicht mehr da sind, wenn sie heute um 19:00 Uhr abpfeifen und ihren verdienten Applaus erhalten werden. Nach und nach packen wir den Caddy. Als wir alles aus dem Strandhaus geräumt haben, gibt es noch ein letztes Getränk mit Karo im „A Rede“. Kind 1 will sich nicht von Brownie trennen. Aber dann ist es Zeit, Abschied zu nehmen. Wir machen es kurz, damit es nicht tränenreich wird. Wir sind Karo unglaublich dankbar, für alles, was sie für uns in den letzten Tagen und Wochen möglich gemacht hat. Es war schöner, als wir es jemals für möglich gehalten haben. Wir werden diese Zeit für immer im Herzen tragen!
Da wir einige Aufträge aus Deutschland bekommen haben, was wir aus Portugal mitbringen sollen, steuern wir noch einmal den so herrlich überfüllten Intermarché in Aljezur an. Wir wissen nicht, ob wir noch mal die Chance auf einen so gut sortierten Supermarkt in Portugal bekommen. Und so stopfen wir wenig später in jede freie Lücke in der Dachbox und in der Caddy-Box solche Dinge wie Dosenbier von Sagres und Super Bock, Olivenöl-Flaschen und Flor de Sal von der Algarve. Und dann rollt der Caddy los. Zunächst sehr lange über Landstraßen, bis wir irgendwann die Autobahn erreichen.


















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